Qualcomm entwickelt nicht nur die fortschrittlichsten 5G-Chips, sondern treibt sein Geschäft auch in den Bereichen Internet of Things, Automobil und Virtual Reality voran. Wer vor fünf Jahren in die Qualcomm Aktie investierte, freut sich nicht nur über einen stattlichen Kursgewinn von 160 Prozent, sondern auch über eine persönliche Dividendenrendite in Höhe von 5,8 Prozent. Jedoch verlor die Aktie im letzten Jahr knapp 40 Prozent ihres Wertes. Seit Anfang des Jahres hat sich der Kurs aber wieder gefangen und seitdem steigt der Aktienkurs wieder.
In diesem Investor-Update werfen einen kritischen Blick auf Qualcomm und prüfen, ob die Aktie in Richtung eines neuen Allzeithochs marschieren kann oder die jüngste Erholung nur ein Strohfeuer ist.
Das Geschäftsmodell von Qualcomm in aller Kürze
In der Research-Rubrik des Aktienfinders wurde Qualcomm schon häufiger analysiert, weshalb wir für eine ausführliche Beschreibung des Geschäftsmodells auf unsere beiden Analysen vom Mai 2020 und April 2021 verweisen und nachfolgend in diesem Investor-Update nur einen kurzen Überblick über das operative Geschäft von Qualcomm geben. Das Unternehmen gehört mit seiner breiten Produktpalette im Bereich der Mobilfunkkommunikation zu den größten Halbleiterherstellern weltweit.
Das Geschäft unterteilt sich in die zwei Segmente QTC und QTL. Im QTC-Segment entwickelt Qualcomm Hardware, insbesondere sogenannte "Systems on a chip" (SoCs), die in drahtloser Sprach- und Datenkommunikation, Netzwerke und Multimediaprodukten Anwendung finden. Das hochprofitable QTL-Segment umfasst im Wesentlichen das Lizenzgeschäft sowie die Übertragung von Nutzungsrechten von Qualcomm. Das QTL-Segment steht zwar nur für rund 14 Prozent des Umsatzes, erzielt aber dafür operative Margen von mehr als 70 Prozent.
Was gibt es Neues bei Qualcomm?
Welche Ereignisse der letzten Monate haben den Aktienkurs von Qualcomm bewegt und werden für den Erfolg der nächsten Quartale entscheidend sein? In diesem Investor-Update haben wir die Entwicklungen des letzten Jahres und Monate analysiert.
Diversifikation des Geschäfts läuft auf Hochtouren
Da die Technik von Qualcomm vor allem in Smartphones steckt, bestand die Sorge einer zu hohen Abhängigkeit gegenüber wenigen Smartphone-Herstellern wie Apple, Samsung, Huawei und Google. Apple wollte sogar auf Qualcomm als Zulieferer für 5G-Chips komplett verzichten und auf die eigene Produktion solcher Chips setzen. Zwar konnte der Verlust von Apple als Kunde im Rahmen eines Vergleichs abgewendet werden, aber noch immer steht Apple bei Qualcomm für rund 20 Prozent der Umsätze. Entsprechend hoch ist das Risiko.
Um das Portfolio zu diversifizieren sowie den Kreis der Abnehmer zu erweitern, entwickelt Qualcomm mittlerweile nicht nur die wohl fortschrittlichsten 5G-Chips, sondern erschließt mit seinen Produkten neue Anwendungsbereiche, wie z.B. das Internet der Dinge (IoT), Automobil und Virtual Reality (VR). Das Marktpotential dieser Anwendungsbereiche ist durch die zunehmende Verbreitung von 5G enorm, da der neue Mobilfunkstandard 5G eine stabilere und schnellere Datenübertragung ermöglicht. Allein im Marktsegment Automobil gibt es mannigfaltige Anwendungsbereiche, die neben der Hardware auch die Software im Bereich Telematik, Infotainment und autonomes Fahren umfasst. Mit den Plattformen „Snapdragon Ride“ sowie „Automotive Cockpit“ kann Qualcomm bereits erste Erfolge im Bereich des autonomen Fahrens vermelden. Daneben hat Samsung eine Kooperation mit Qualcomm und Alphabet zur Entwicklung einer Mixed-Reality-Plattform angekündigt. Bei der Kooperation handelt es sich vorerst zwar nur um eine Absichtserklärung, aber dies verdeutlicht, dass Qualcomm schon längst nicht mehr als reiner Halbleiter-Zulieferer im Bereich der Smartphones wahrgenommen wird.
Ist Nuvia das fehlende Puzzlestück?
Ein weiteres Puzzleteil für eine zunehmende Diversifikation könnte die, im Dezember 2021 bekanntgegebene, Übernahme von Nuvia für 1,4 Milliarden USD sein. Nuvia wurde von ehemaligen Apple- und Google-Mitarbeitern gegründet und soll Prozessoren mit besonders hoher Leistung und Effizienz entwickeln. Unter anderem soll einer der Nuvia-Gründer Gerard Williams III der Chef-Architekt des bahnbrechenden ARM M1 Chips von Apple sein. Zur Erinnerung: In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Chiparchitekturen und -kerne von ARM zu einem wichtigen Halbleiter-Industriestandard entwickelt. Die ARM-Technologie greift dabei auf die "Reduced Instruction Set Computer"-Architektur (RISC) zurück, die für besonders stromsparende, aber dennoch effiziente, Prozessoren sorgt. In vielen Bereichen, wie beispielsweise der Kommunikation, Datenverarbeitung, Industrie und Automobil findet die RISC-Architektur Anwendung. Sogar Nvidia wollte rund 40 Milliarden USD in die neue Technologie investieren, aber musste die geplante Rekordübernahme von ARM, dem marktführenden Entwickler der ARM-Architekturen, aufgeben, da Wettbewerbsbehörden die Akquisition nicht genehmigten.
Laut Gerüchten soll Nuvia nun einen ARM-Chip entworfen haben, der für Desktop PCs das verspricht, was der M1 Prozessor von Apple für die Macs bereits leistet. Qualcomm will den auf den Codenamen Hamoa basierenden Chip im Jahr 2024 auf den Markt bringen und soll bereits Bestellungen von mehreren Herstellern erhalten haben. Damit könnte Qualcomm in den Markt für Prozessoren im Bereich der Desktop-PCs eintreten und die dortige Phalanx von Intel und AMD brechen. Ebenfalls ist für Qualcomm durch die Nuvia-Übernahme der Wiedereinstieg in den stark umkämpften, aber trotzdem wachsenden Markt rund um Rechenzentren naheliegend. Qualcomm hatte in der Vergangenheit bereits Prozessoren für Datacenter-Rechner entwickelt, allerdings stellte das Unternehmen sein Engagement in diesem Bereich aufgrund der großen Konkurrenz ein. Mit dem Wissen und der Technik von Nuvia könnte Qualcomm die Märkte für Halbleiter im Bereich Rechenzentren und Desktop-PCs neu aufrollen.
Oder steht der nächste Megarechtsstreit bevor?
Im Rahmen eines neuen Rechtsstreits klagt der Chipentwickler ARM gegen Qualcomm, da Qualcomm lizenzierte ARM-Technik von Nuvia ohne entsprechende Erlaubnis weiterverwenden soll. Laut ARM sind erworbene Lizenzen von Nuvia nicht auf Qualcomm übertragbar. Qualcomm beruft sich hingegen auf eigene ARM-Lizenzen. Der Ausgang des Rechtsstreits ist offen. Das Unternehmen ARM könnte aber aufgrund der winkenden Lizenzeinnahmen selbst ein großes Interesse an einem Erfolg der Nuvia-Chips haben. So fasst der Journalist Ron Amadeo die Interessenlage auf Ars Technica in meinen Augen sehr nachvollziehbar zusammen:
"From a big-picture perspective, it's hard to see much sense in Arm going after Qualcomm. Qualcomm and Nuvia represent Arm's biggest shot at near-term market growth, which means more royalties for Arm. Qualcomm has stated it wants to use Nuvia's Arm designs to go after the laptop and server markets, two areas where Intel and AMD are dominant. Arm has 100 percent of the smartphone market and 100 percent of the Apple hardware market, including bigger devices like laptops and PCs. You would think Arm would be thrilled that Qualcomm would want to go after Intel like this."
Ich halte einen Vergleich angesichts der gemeinsamen Interessen zwischen Qualcomm und ARM, einschließlich einer Markteinführung der innovativen Nuvia-Chips für wahrscheinlich. Fürs erste bleibt hinter den hoffnungsvollen Erfolgsaussichten der Nuvia-Chips jedoch ein rechtliches Fragezeichen.
So läuft das operative Geschäft bei Qualcomm
Die am 02. Februar 2023 veröffentlichten Geschäftszahlen zum ersten Quartal des Geschäftsjahres 2023 litten im Vergleich zum Vorjahr unter der abkühlenden Nachfrage, lagen aber dennoch im Rahmen der Erwartungen. So war der Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal um 15 Prozent auf 9,5 Milliarden USD rückläufig. Der Gewinn pro Aktie fiel sogar um fast 30 Prozent von 3,23 auf 2,37 USD.
Umsatz in Mio. USD |
Umsatz QCT in Mio. USD |
Umsatz QCL in Mio. USD |
EPS in USD |
|
Ergebnis | 9.456 | 7.892 | 1.679 | 2,37 |
Vorjahresquartal | 10.7 | 8.8 | 1.8 | 3,23 |
vs. Vorjahresquartal | - 15% | - 11% | - 16% | - 27% |
Schätzungen | 9.600 | 8.034 | - | 2,36 |
Surprise | - 1,5% | - 1,5% | - | +0,6% |
Qualcomm unterteilt sein Geschäft neben den Segmenten QTC und QTL ebenfalls in die drei Marktsegmente "Handsets", Automotive und IoT, die sich nach den Anwendungs- bzw. Industriebereichen unterscheiden. Das Segment „Handsets“ bezeichnet dabei die Hardware für Mobiltelefone. Mit einem Umsatzrückgang von fast 20 Prozent war „Handsets“ hauptsächlich für den Umsatzrückgang verantwortlich. Als Grund für die schwache Performance gab das Management eine schwächelnde Nachfrage aufgrund sinkender Kaufkraft sowie die Nachwirkungen der chinesischen Covid-19-Restriktionen an. Dies habe laut dem Management unter anderem zu erhöhten Lagerbeständen geführt, die in den kommenden Quartalen abgebaut werden müssen. Lichtblicke waren hingegen Automotive und IoT, die um jeweils 58 Prozent und 7 Prozent wuchsen und bereits 27 Prozent des Umsatzes beisteuern.
So blickt das Management in die Zukunft
Das Management geht für das Kalenderjahr 2023 von anhaltend hohen Lagerbeständen und einem rückläufigen Absatz bei 3G-, 4G- und 5G-Chips aus. Für das zweite Quartal 2023 erwartet das Management einen Umsatz zwischen 8,7 und 9,5 Milliarden USD und ein bereinigten EPS von 2,05 bis 2,25 USD. Bereits eingepreist sind ein zurückhaltender Endkundenmarkt und der anvisierte Lagerbestandsabbau zu Lasten der Verkaufspreise. Die Umsätze der Marktsegmente Handsets und Automotive sollen laut Management im Vergleich zu den Vorjahresquartalen stagnieren, während die IoT-Umsätze sogar rückläufig sein sollen. In der zweiten Hälfte des Kalenderjahres erhofft sich das Management eine Erholung der Nachfrage und deutlich geringere Lagerbestände.
Trotz der aktuellen Herausforderungen blickt das Management aber weiterhin optimistisch in die Zukunft.
"Our diversification strategy is on track, as evidenced by our design win pipeline across IoT and automotive customers. In addition, our long-term secular growth opportunity remains unchanged. We are focused on executing on our strategy, enabled by our leading technology road map and best-in-class product portfolio.", CFO Akash Palkhiwala, Q1 2023 Earnings Call Transcript
Wie attraktiv ist die Qualcomm Dividende?
Der Dividenden-Turbo zeigt für die Qualcomm Aktie einen 5-Jahres-Mittelwert der Dividendenrendite von 2,75 Prozent an. Die aktuelle Dividendenrendite von 2,2 Prozent liegt leicht über unter dem Mittelwert. Verglichen mit den verschiedenen Langzeitkorridoren und insbesondere mit dem Zeitraum zwischen 2015 und 2020 bewerte ich die aktuelle Dividendenrendite als lediglich durchschnittlich und sehe aus Dividendensicht kein Kaufsignal.
Ist die Qualcomm Aktie günstig bewertet?
Die Dynamische Aktienbewertung des Aktienfinders ermittelt den fairen Wert der Qualcomm Aktie und sagt aus, ob die Aktie gemessen anhand der historischen Bewertung aktuell über- oder unterbewertet ist. Im Aktienfinder kann der Fair Value auf den bilanzierten Gewinn, den bereinigten Gewinn, den operativen Cashflow, den Umsatz oder die Dividende berechnet werden. Welche Kennzahl für die Bewertung der Qualcomm Aktie am besten geeignet ist, erfährst du im nachfolgenden Unterkapitel.
So wird die die Qualcomm Aktie bewertet
Für die Bewertung der Qualcomm Aktie eignet sich der faire Wert des bereinigten Gewinns, der anders als der bilanzierte Gewinn nicht von Sondereffekten wie Abschreibungen beeinflusst wird. Für die potenzielle Renditeerwartung wird die Bewertung der letzten zehn Geschäftsjahre herangezogen. So bewertete der Markt die Qualcomm Aktie im Schnitt der letzten zehn Jahre mit einem bereinigten KGV von 15. Auf den ersten Blick scheint die Qualcomm Aktie bei dieser Herangehensweise mit einem bereinigten KGV von 11,3 unterbewertet zu sein. Gemessen an den prognostizierten Gewinnen der Analysten beträgt das Renditepotential inklusive Dividende 19,9 Prozent auf das Jahr.
So hoch ist das Renditepotential
Basierend auf dieser Bewertung ergibt sich für die nächsten Jahre die folgende jährliche durchschnittliche Renditeerwartung aus Kursgewinnen und Dividenden. Bei einem aktuellen Kurs von 130 USD ist bis zum Ende des Geschäftsjahres 2024 ein Renditepotenzial von 24,2 Prozent pro Jahr zu erwarten. Setze ein Kauflimit im Aktienfinder, um den bei einem Rücksetzer den günstigen Einstieg nicht zu verpassen.
Kaufkurs in USD |
Erwartete Rendite p.a. bis 09/2023 |
Erwartete Rendite p.a. bis 09/2024 |
Erwartete Rendite p.a. bis 09/2025 |
150.00 | 2.8% | 15.7% | 12.1% |
146.00 | 5.5% | 17.2% | 13.0% |
142.00 | 8.2% | 18.8% | 14.0% |
138.00 | 11.2% | 20.5% | 15.0% |
134.00 | 14.3% | 22.3% | 16.1% |
130.00 | 17.6% | 24.2% | 17.2% |
126.00 | 21.1% | 26.2% | 18.4% |
122.00 | 24.9% | 28.3% | 19.7% |
118.00 | 28.9% | 30.6% | 21.1% |
114.00 | 33.2% | 33.0% | 22.6% |
So schneidet Qualcomm in der Aktienfinder Scorecard ab
Die Aktienfinder Scorecard gibt die Attraktivität einer Aktie für die drei beliebtesten Anlagestrategien wieder. Bei der Dividendenertrags-Strategie setzt du auf hohe Dividenden von Anfang an, bei der Dividendenwachstums-Strategie auf dynamisches Dividendenwachstum und bei der Gewinnwachstums-Strategie auf hohe Kursgewinne. Während einige Aktien für mehrere Strategien geeignet sind, schneiden andere Aktien nur bei einer oder auch keiner Anlagestrategie gut ab. Allen Anlagestrategien ist gemein, dass sie auf Qualitätsaktien mit langfristigem Gewinnwachstum setzen. In diesem Artikel stellen wir die Aktienfinder Scorecard vor.
Die Qualcomm Aktie schneidet in allen drei Anlagestrategien dank des starken Gewinnwachstums und der für eine Tech-Aktie immer noch soliden Dividendenrendite mit hohen Gesamtscores ab. Damit werden sowohl Fans von Dividenden als auch Fans von schnell wachsenden Gewinnen bei der Qualcomm Aktie fündig.
Fazit – Auf dem aktuellen Kursniveau ein Kauf?
Qualcomm überzeugt trotz der rückläufigen Quartalszahlen mit einem hervorragend aufgestellten Produktportfolio in den Bereichen 5G, Automotive und IoT. Daneben sorgt das Potential der Nuvia-Chips für weitere Wachstumsfantasie, da Qualcomm mit einem Paukenschlag in die milliardenschweren Desktop-PC- und Rechencenter-Märkte eintreten könnte. Auf dem aktuellen Bewertungsniveau und trotz der Möglichkeit weiterer Kursrücksetzer ist die Qualcomm Aktie für mich ein Kauf.