Trotz der jüngsten Erholung hat die Starbucks Aktie noch immer über 30 Prozent vom Allzeithoch verloren. Für die Kursverluste ist nicht nur die schlechte Börsenstimmung des ersten Halbjahres 2022 verantwortlich.
Starbucks sieht sich mit mehreren Problemen konfrontiert, von denen einige hausgemacht sind. In den USA machen unzufriedene Starbucks-Mitarbeiter Schlagzeilen und organisieren sich in Gewerkschaften. Zugleich führt die No-Covid-Strategie in China zu enormen Umsatzeinbußen und ist noch immer kein Nachfolger für den Interims-CEO Howard Schultz in Sicht. In diesem Investor-Update analysieren wir die Lage und verraten dir, ob die Starbucks Aktie zum reduzierten Preis trotz all der Probleme ein lukratives Investment ist.
Was ist bei Starbucks los?
Starbucks hat mehrere Großbaustellen, die es schnellstmöglich zu lösen gilt. Die alles überstrahlende Baustelle ist die Suche nach dem neuen CEO.
Die Suche nach dem neuen CEO
Obwohl der ehemalige CEO Kevin Johnson seinen Abgang ein Jahr zuvor ankündigte, blieb dessen Nachfolge offen und musste das im Jahr 1953 geborene Starbucks-Urgestein Howard Schultz zum zweiten Mal die Rolle des Interim-CEOs übernehmen.
CEO | Ab | Leistung |
Howard Schulz | 1987 | ? |
Orin Smith | 2000 | ? |
Jim Donald | 2005 | ? |
Howard Schulz | 2008 | ? |
Kevin Johnson | 2017 | ? |
Howard Schulz | 2022 | ? |
Die Suche nach einem Nachfolger aus den eigenen Reihen wurde durch die Kündigung zweier hochrangiger Starbucks-Manager erschwert und soll im Herbst abgeschlossen sein. Wer der fünfte CEO werden wird, ist noch völlig offen. Die Ungewissheit über den Nachfolger beunruhigt die Aktionäre, weil Starbucks bereits erfahren musste, welche Folgen eine Fehlbesetzung hat. So brach der Aktienkurs unter der Führung von Jim Donald als CEO um 50 Prozent ein, weil Starbucks seine Mission aus den Augen verloren habe, so Howard Schultz im Jahr 2008, als er das erste Mal zurückkehrte und das Ruder bei Starbucks herumriss.
Die Angestellten begehren auf
In den USA erleben Gewerkschaften ein Comeback und der Arbeitskräftemangel verleiht dem Aufbegehren Rückenwind. Dabei entscheiden die Angestellten einer jeder Filiale per Abstimmung mit einfacher Mehrheit für sich, ob sie einer Gewerkschaft beitreten oder nicht. Im Dezember letzten Jahres trat die erste Starbucks Filiale einer Gewerkschaft bei. Ein Dreivierteljahr später Mitte Juni 2022 waren bereits über 100 der 9.000 Filialen in den USA gewerkschaftlich organisiert und nur zwei Monate später sollen es bereits an die 200 Filialen sein. Tatsächlich scheint die Unzufriedenheit bei den als „Baristas“ bezeichneten Starbucks-Mitarbeiter groß.
Bei den Forderungen geht es nicht nur um höhere Löhne. Denn die 15 USD Mindestlohn von Starbucks liegen bereits deutlich oberhalb des Mindestlohns vieler US-Bundesstaaten. Bei vielen Klagen geht es um Arbeitsschutz und vor allem um Überlastung. Denn die durch die Lockdowns in den USA ausgedünnte Personaldecke hat sich in vielen Filialen bis heute nicht erholt, und die Fluktuation ist entsprechend hoch. Als Interim-CEO Schultz erfuhr, dass vier von fünf Angestellte nicht länger als 12 Monate bei Starbucks arbeiten, gab er sich schockiert und räumte Fehler seitens des Managements gegenüber den Angestellten ein. Dennoch stellt er sich der Vergewerkschaftung von Starbucks deutlich entgegen.
Eine gewerkschaftliche Durchdringung Starbucks hat eine größere Verhandlungsmacht der Angestellten und damit höhere Kosten zur Folge. Wie hoch diese Kosten ausfallen und inwieweit es auch positive Auswirkungen gibt, ist ungewiss. Aktionäre sehen in erster Linie die drohenden Mehrkosten.
No-Covid belastet den chinesischen Schlüsselmarkt
Im letzten Geschäftsjahr erzielte Starbucks in China 12,6 Prozent der Umsätze mit einer Wachstumsrate im Vergleich zum Vorjahr um 42 Prozent. Im Schlüsselmarkt China betreibt Starbucks rund 5.600 Filialen, und jeder Lockdown und jede Zunahme politischer Spannungen wird bei den Aktionären von der die Furcht vor weiteren Umsatzeinbußen begleitet. Allein in Shanghai betreibt Starbucks 940 Filialen, was über 10 Prozent aller Filialen in den USA entspricht. Filialen, die während des brutalen Lockdowns im Rahmen der No-Covid-Strategie geschlossen waren, weshalb die Anzahl der Bestellung im Vergleich zum Vorjahresquartal um 43 Prozent einbrach!
Und noch mehr Probleme
Unerfreuliches auch aus Großbritannien, wo die rund 1.000 Filialen beim Umsatz nicht mehr an das Vorcorona-Niveau herankommen, weshalb es Überlegungen seitens des Managements geben soll, sich vom Geschäft in Großbritannien zu trennen. Und in den USA hingegen werden sogar profitable Läden aus Sicherheitsgründen geschlossen, weil in den Toiletten Drogen gespritzt und Angestellte bedroht werden. Von den Schließungen betroffen sind derzeit nur 16 Filialen. Doch Interim-CEO verspricht:
This is just the beginning, and there are going to be many more…
So läuft das operative Geschäft
Bei all den Problemen kann einem Investor angst und bange werden. Doch wie läuft das operative Geschäft tatsächlich? Die am 02. August veröffentlichten Quartalszahlen liefern die Antwort. Dabei sind vor allem die folgenden unternehmensspezifischen Kennzahlen relevant (Geschäftsbericht 2021, S. 26):
Kennzahl | Gibt Auskunft über… |
New store openings | … das Wachstum der Filialen |
Comparable store sales | ... die Umsatzentwicklung der Filialen |
Operating margin | … die Profitabilität der Filialen |
Weiterhin von Interesse sind die allgemeinen Kennzahlen Umsatz sowie Gewinn und Dividende pro Aktie. Der Vergleich der Kennzahlen mit dem Vorjahresquartal erlaubt eine Einschätzung über den Geschäftsverlauf von Starbucks hinsichtlich des Wachstums und der Entwicklung der Profitabilität. Der Vergleich mit den Analystenschätzungen (Suprise) zeigt, ob Starbucks die Erwartungen des Marktes erfüllte.
Wegen des inflationären Umfelds muss auch Starbucks die Preise erhöhen und hoffen, dass die Kunden dennoch weiterhin aus dem nicht ganz preiswerten Menü bestellen. Andernfalls würden die Margen zu stark unter Druck geraten. Ob dies gelingt, zeigen die Comparable store sales. Tatsächlich stiegen diese um 3 Prozent, wobei die Preise um 6 Prozent erhöht wurden, während die die Anzahl der Transaktionen (Bestellungen) um 3 Prozent fiel. Operation geglückt: die rückläufigen Bestellungen wurden durch die steigenden Preise überkompensiert. Zudem eröffnete Starbucks im letzten Quartal netto 318 neue Filialen, bzw. 1.653 Filialen im Vergleich zum Vorjahresquartal. Dank der neu eröffneten Filialen legte der Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal nicht um 3 Prozent, sondern um 9 Prozent zu.
Das Umsatz- und Filialwachstum zeigt, dass Starbucks weiter auf Expansionskurs ist. Und das trotz des Lockdowns in China, der im letzten Quartal zu einem – hoffentlich einmaligen - Einbruch der Transactions (Anzahl Bestellungen) um 43 Prozent führte! Die gesunkene operative Marge ist dem Einbruch des Chinageschäfts sowie in geringerem Umfang der Inflation und höheren Personalkosten geschuldet.
Zum Stichtag Juni 2022 umfasste das Filialnetz von Starbucks 34.948 Filialen. Die Grafik zeigt die Nettoeröffnungen pro Quartal (blaue Balken) sowie die die Umsatzentwicklung in den bestehenden Filialen im Vergleich zum Vorjahresquartal in Prozent (grüne Linie). Die im Märzquartal 2020 einbrechenden Comparable Store Sales zeigen die dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie und das Märzquartal 2021 zeigt die Erholung im Folgejahr. Die Neueröffnung von Filialen kam im Zuge von Corona im Dezemberquartal 2020 kurzfristig zum Erliegen, hat sich mittlerweile aber wieder stabilisiert.
So blickt das Management in die Zukunft
Wegen der weltweiten Unsicherheit in Politik und Wirtschaft gibt das Management bis auf weiteres keine Prognose für das laufende Geschäftsjahr ab. Lediglich für das laufende Quartal gab es einige Aussagen bezüglich des anhaltenden Margendrucks aufgrund höherer Personalkosten und der noch immer durch den Lockdown in China bedingten Umsatzeinbußen.
Darüber hinaus gibt es Aussagen bezüglich der operativen Prioritäten, die den künftigen Geschäftserfolg sicherstellen sollen. Das Management rund um Interims-CEO Schultz setzt den Fokus auf individuell zusammenstellbare Getränke, darunter auch kalte Kaffeegetränke. Kunden können die Zutaten selbst bestimmen und sich so ihr „eigenes Geschmackserlebnis“ zusammenstellen und in Zeiten von Social Media mit ihren Freunden und Bekannten teilen, die so ebenfalls zu einem Starbucks-Besuch verleitet werden.
Um die sehr hohe Fluktuation und zunehmende Vergewerkschaftung der Mitarbeiter in den Griff zu bekommen, setzt das Management auf Dialog, Lohnerhöhungen und verbesserte Arbeitsbedingungen. Und selbstverständlich läuft die Suche nach einem neuen CEO auf Hochtouren und soll diese bis Herbst abgeschlossen sein.
Ist die Starbucks Aktie günstig bewertet?
Die Dynamische Aktienbewertung des Aktienfinders ermittelt den fairen Wert der Starbucks Aktie und sagt aus, ob die Aktie gemessen an der historischen Bewertung aktuell über- oder unterbewertet ist. Im Aktienfinder kann der Fair Value auf den bilanzierten Gewinn, den bereinigten Gewinn, den operativen Cash-Flow oder den Umsatz berechnet werden. Welche Kennzahl für die Bewertung der Starbucks Aktie am besten geeignet ist, erfährst du im nachfolgenden Unterkapitel.
So wird die Starbucks Aktie bewertet
Für die Bewertung der Starbucks Aktie eignet sich am besten der bereinigte Gewinn. Im Vergleich zum bilanzierten Gewinn eliminiert dieser verzerrende Einmaleffekte wie die Strafzahlung von Starbucks an Kraft über 2,75 Milliarden USD im Jahr 2013. Corona-bedingte Gewinneinbrüche hingegen gehören zum operativen Geschäftsrisiko und spiegeln sich entsprechend auch im bereinigten Gewinn wider. Ergänzend blicken wir zusätzlich auf die fairen Werte ermittelt anhand von Umsatz und Dividende. Dabei berechnen wir die fairen Werte mit der Standardeinstellung beruhend den durchschnittlichen Multiples der letzten 10 Jahre.
Wie das Management gehen auch die Analysten von weiterem Margendruck aus und sehen einen leichten Gewinnrückgang für das laufende Geschäftsjahr, so dass der faire Wert beruhend auf dem bereinigten Gewinn bei 81,24 USD liegt und damit unterhalb des aktuellen Kurses von knapp 86 USD. Der faire Wert Umsatz liegt mit 96,72 USD deutlich darüber, ignoriert jedoch die derzeitige Margenschwäche, während der faire Wert Dividende bei 122,82 USD zeigt, dass die aktuelle Dividendenrendite von 2,3 Prozent deutlich über dem Mittel der Vergangenheit liegt. Ein Blick in den Dividenden-Turbo bestätigt die derzeit überdurchschnittlich hohe Dividendenrendite:
So hoch ist das Renditepotential
Laut Analysten wird die Margenschwäche im Geschäftsjahr 2023 überwunden und zieht der Gewinn dann wieder dynamisch an, so wie es bereits in den Vor-Corona-Jahren 2018 und 2019 der Fall war. Sollte es so kommen, ist trotz einer leichten Überbewertung Stand heute schon nach kurzer Haltedauer mit einer positiven Rendite zu rechnen, die sich aus Dividenden und Kursgewinnen zusammensetzt. Beim einem Kurs von 85 USD beträgt das Renditepotential bis zum Ende des Geschäftsjahres 2023 bereits 10 Prozent.
Kaufkurs | Rendite bis 09/2023 | Rendite 09/2024 | Rendite bis 09/2025 |
120.00 | -18.6% | -3.5% | 0.6% |
110.00 | -12.2% | 0.5% | 3.4% |
100.00 | -4.6% | 5.0% | 6.6% |
90.00 | 4.6% | 10.3% | 10.2% |
85.00 | 10.0% | 13.3% | 12.2% |
80.00 | 15.9% | 16.5% | 14.4% |
70.00 | 30.2% | 24.0% | 19.3% |
So schneidet Starbucks in der Aktienfinder Scorecard ab
Die Aktienfinder Scorecard gibt die Attraktivität einer Aktie für die drei beliebtesten Anlagestrategien wieder. Bei der Dividendenertrags-Strategie setzt du auf hohe Dividenden von Anfang an, bei der Dividendenwachstums-Strategie auf dynamisches Dividendenwachstum und bei der Gewinnwachstums-Strategie auf hohe Kursgewinne. Während einige Aktien für mehrere Strategien geeignet sind, schneiden andere Aktien nur bei einer oder auch keiner Anlagestrategie gut ab. Allen Anlagestrategien ist gemein, dass sie auf Qualitätsaktien mit langfristigem Gewinnwachstum setzen. In diesem Artikel stellen wir die Aktienfinder Scorecard vor.
Die Scorecard zeigt, dass die Dividende bei Starbucks eine bedeutende Rolle spielt. Dabei ist die Aktie aufgrund der historisch außergewöhnlich hohen Dividendenrendite von 2,3 Prozent sogar im Rahmen einer Dividenden-Ertragsstrategie interessant. Zwar gibt es für die Nicht-Erreichung der Zielgröße von 3 Prozent Dividendenrendite Punktabzug, dafür erreichen die anderen Kriterien eine sehr hohe Punktzahl. Starbucks ist eine Qualitätsaktie, wer aber vorrangig auf Kursgewinne setzt, findet renditestärkere Aktien mit einem höheren Score. Denn das Gewinnwachstum und die Renditeerwartung von Starbucks fallen für außerordentlich hohe Kursgewinne leider eine Spur zu niedrig aus.
Fazit: Geschäftsmodell intakt – Kursrückgang als Kaufgelegenheit
Ja, Starbucks hat Probleme, und einige dieser Probleme sind hausgemacht. Hinzu kommt makroökonomischer Gegenwind wie Inflation, ein starker USD, Lieferkettenprobleme und Lockdowns, die das Ergebnis und damit auch den Aktienkurs belasten.
Das Geschäftsmodell ist jedoch weiterhin intakt und die starken Zahlen in den USA zeigen, dass die Konsumenten auch in schwierigeren Zeiten ihrem Starbucks trotz höherer Preise die Treue halten. Ein weiteres Zeichen der Stärke sind die trotz der Lockdowns in China global um 9 Prozent gestiegenen Umsätze im Vergleich zum Vorjahresquartal. Sobald sich die Situation in China normalisiert, wird dies dem Umsatz und den Margen einen Schub verleihen. Das Potential der Starbucks Aktie zeigt sich anhand der Aktienfinder-Scorecard und der im Aktienfinder berechneten Renditeerwartung. Trotz aller Probleme halte ich Starbucks für ein aussichtsreiches Investment und sehe im aktuellen Kurs eine Kaufgelegenheit.
5 Antworten
Danke für die Earnings Updates. Zu Starbucks möchte ich noch die sehr hohe Verschuldung und die steigenden Zinsen in den USA anfügen. Insgesamt überwiegen für mich die Risiken.
Hallo Joshua,
danke für den Hinweis. Die Verschuldung von Starbucks hatte ich in einem Video vor 3 Jahren thematisiert: https://youtu.be/QAqoE0kVABk
„Die Starbucks Aktie ist eine der beliebtesten Aktien für (Dividenden-)Investoren. Und erfreulicherweise ist die Aktie in den letzten Monaten auch außerordentlich gut gelaufen. Leider fanden in den letzten Monaten seitens Starbucks Entwicklungen statt, die die Zukunft des Unternehmens belasten werden. So ist der gestiegene Aktienkurs zum einen auf schuldenfinanzierte Aktienrückkäufe zurückzuführen und hat Starbucks weitere Schulden für die Expansion in China gemacht, wo das Unternehmen nun Opfer der politischen Spannungen zu werden droht. In Summe haben die letzten Monate zu einer deutlichen Schwächung der Bilanz geführt“
Solange das Geschäft läuft, kann Starbucks die Schulden stemmen. Wenn es schlechter läuft, können Sie zunächst die Aktienrückkäufe aussetzen und so Geld sparen.
LG!
Hallo Torsten,
muss mal einfach ein Lob loswerden: Diese Investor Updates sind einfach nur Gold wert und komplettieren den“Self-Service“ basierend auf dem Aktienfinder optimal. Sachlich/Objektiv und auf’s wesentliche beschränkt…bitte bitte unbedingt beibehalten.
Liebe Grüße aus Gonzenheim;)
Hallo Patrick,
vielen Dank für deinen motivierenden Kommentar ?
Lieben Gruß zurück aus dem Zentrum ?♂️
Torsten
Dem ist nichts hinzuzufügen. 🙂